Neuorientierung statt Ausbildungsabbruch

Ergebnisse einer Untersuchung der Handwerkskammer der Pfalz
rücken das Vertragslösungsgeschehen im Handwerk in ein anderes Licht

„Jeder vierte Lehrling schmeißt hin“ – Schlagzeilen wie diese, sind in der Presse immer wieder zu finden, zeichnen das Bild von nicht durchhaltewilligen Jugendlichen und Ausbildungsabbrüchen und vermitteln damit negative Assoziationen mit der dualen Ausbildung. Dabei sieht sich das Handwerk häufig der Kritik ausgesetzt, weil in diesem Wirtschaftbereich überproportional viele Ausbildungsverhältnisse vorzeitig aufgelöst werden.

Dass die vorzeitige Auflösung eines Ausbildungsvertrages nicht mit einem  Ausbildungsabbruch gleichzusetzen ist, belegt eine wissenschaftliche Untersuchung, die von der Handwerkskammer der Pfalz in Zusammenarbeit mit dem rheinland-pfälzischen
Wirtschaftsministerium und der Universität Mainz durchgeführt worden ist. Hierfür wurden 486 Jugendliche befragt, deren Ausbildungsverhältnis zwischen Juli und November 2012 im Bezirk der Handwerkskammer der Pfalz aufgelöst wurde. Daran beteiligt haben sich 183 Jugendliche.

Auffallendstes Ergebnis der Studie ist, dass vorzeitige Auflösungen von Ausbildungsverträgen nicht zwingend als negative Ausbildungsereignisse zu bewerten sind. 26,4 Prozent der befragten Jugendlichen gaben nämlich an, ein Ausbildungsverhältnis im gleichen Beruf in einem anderen Betrieb begonnen zu haben. 3,8 Prozent hatten eine Ausbildung in einem anderen Ausbildungsberuf im Handwerk begonnen; und 4,9 Prozent gaben an, eine duale Ausbildung in einem anderen Wirtschaftsbereich aufgenommen zu haben. Rund 35 Prozent der „Ausbildungsabbrecher“ im Handwerk orientieren sich also neu und verbleiben im dualen Ausbildungssystem. Darüber hinaus planen rund zwei Drittel der noch nicht „neu Versorgten“ wieder eine berufliche Ausbildung.

Als Gründe für vorzeitige Vertragsauflösungen wurden vor allem innerbetriebliche Probleme wie beispielsweise Konflikte zwischen Auszubildendem und Ausbilder identifiziert (47 Prozent). Aber auch falsche Berufsvorstellungen (17 Prozent), gesundheitliche Probleme (22 Prozent), eine bessere Ausbildungsstelle gefunden zu haben (15 Prozent) und (nach eigenen Angaben) mangelnde Motivation für die Ausbildung (18 Prozent) führen zu vorzeitigen Vertragslösungen. In 40,7 Prozent der Fälle wurde der Ausbildungsvertrag durch den Betriebe aufgelöst, 28,8 Prozent der Auszubilden gaben an, den Vertrag selbst gelöst zu haben, 30,5 Prozent berichten von einer Vertragsauflösung im gegenseitigen Einvernehmen.

Die Begründung der Vertragsauflösung mit falschen Berufvorstellungen verweist auf die Bedeutung der Berufsorientierung für die Berufswahlentscheidung. Als Informationsquellen
mit großem Einfluss auf die Berufwahl wurden angegeben: Familie (45 Prozent), Freunde (32 Prozent), Internet (26 Prozent), Arbeitsagentur (23 Prozent), Schule/Lehrer (22 Prozent). Ein Vergleich zwischen dem Informationsverhalten vor der Berufswahl und den Vertragsauflösungen wegen falscher Berufsvorstellungen ergibt, dass ein höherer Informationsgrad bei der Berufwahl seltener zu Vertragslösungen mit dieser Begründung führt. Darüber hinaus zeigt ein Vergleich des Informationsverhaltens mit der Beurteilung der
Ausbildungsqualität: Mit zunehmendem Informationsgrad wird die Ausbildungsqualität zunehmend besser beurteilt.

Insbesondere diese Sachverhalte lassen den Schluss zu: Adäquate Berufsinformationen vor der Berufswahl tragen zur Berufszufriedenheit und zum Berufserfolg bei. Für den Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer der Pfalz Ralf Hellrich zeigt die Studie, dass „die Zahl der tatsächlichen Abbrecher weit unter der öffentlich kommunizierten Quote liegt
und das Bild vom Ausbildungsverlierer so nicht aufrechtzuerhalten ist“. Und mit dem Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Berufsinformation und Berufserfolg fügt er hinzu: „Es zeigt sich, dass Berufsinformation wichtig für eine erfolgreiche Ausbildung im dualen System ist. Und die eher untergeordnete Rolle, die Lehrer bei der Informationsbeschaffung spielen, macht deutlich, dass die Berufsorientierung an den Schulen verbessert und ausgebaut werden muss“.