Die Führungsmannschaft der Handwerkskammer zur Pfalz setzt auf Digitalisierung, ohne die Menschen zu vergessen: Hauptgeschäftsführer Dr. Till Mischler und die beiden Geschäftsführer Rita Petry und Matthias Sopp (v. l.).
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Die Führungsmannschaft der Handwerkskammer zur Pfalz setzt auf Digitalisierung, ohne die Menschen zu vergessen: Hauptgeschäftsführer Dr. Till Mischler und die beiden Geschäftsführer Rita Petry und Matthias Sopp (v. l.).

Interview - 11.02.2022 - erschienen in: Deutsches Handwerksblatt Nr. 2, Mantelteil Politik & GesellschaftVerständnis der Generationen ist ein ganz wichtiges Thema

Hauptgeschäftsführer Dr. Till Mischler und die beiden Geschäftsführer Rita Petry und Matthias Sopp von der HWK der Pfalz über Medienkompetenz.

Der Nachwuchs- und Fachkräftemangel und ebenfalls die Digitalisierung sind zwei der dringendsten Herausforderungen im Gesamthandwerk, Sie bewegen auch die Handwerkskammer der Pfalz. Zum aktuellen Stand der Dinge sprachen wir nicht nur mit dem Hauptgeschäftsführer der Kammer in Rheinland- Pfalz, Dr. Till Mischler, sondern auch mit den frisch gewählten (6. Dezember 2021) Geschäftsführern Rita Petry und Matthias Sopp. Rita Petry leitet den Geschäftsbereich „Berufsbildung“, Matthias Sopp zeichnet für den Geschäftsbereich „Zentrale Dienste“ verantwortlich.

DHB: Wenn Sie auf das Jahr 2022 blicken, was sind aus Ihrer Sicht die dringendsten Aufgaben, die Sie für sich, für die Kammer, lösen müssen?

Mischler: Die Aufgaben sind 2022 nicht anders als in den vorangegangenen Jahren. Wir haben das Megathema Nachwuchs- und Fachkräftemangel. Nach wie vor suchen die Betriebe gut qualifiziertes Personal. Einen Schub hat es aus meiner Sicht in der Pandemie beim Thema Digitalisierung gegeben. Den müssen wir als Handwerkskammer begleiten, nach außen und innen.

DHB: Was heißt das konkret?

Mischler: Nach außen heißt, die Betriebe zu beraten und zu unterstützen, digitale Möglichkeiten für sie nutzbar zu machen. Es gab in Rheinland-Pfalz spezielle Förderprogramme, von denen das Handwerk profitiert hat. Bei Investitionen in Digitalisierung unterstützen wir beispielsweise durch spezielle Beratung. Nach innen heißt, die Abläufe in der Verwaltung effizienter, moderner zu gestalten – und sich die digitalen Themen nutzbar zu machen. Ein Beispiel ist der digitale Posteingang. Die Post wird zentral digitalisiert, den Mitarbeitern auf den Bildschirm geschickt und nach Priorität bearbeitet. Das sorgt für schnellere Abläufe und steigert die Effizienz.

Sopp: Effizienz durch Digitalisierung ist ein wichtiges Thema, aber wir müssen als Kammer und Behörde für die Betriebe menschlich bleiben. Im Spannungsfeld mit der Wirtschaftlichkeit bei der digitalen Transformation der Verwaltung den richtigen Weg zu finden, ist eine große Herausforderung. Wir müssen auch die Mitarbeiter mitnehmen, weil das für sie eine Veränderung am Arbeitsplatz bedeutet. Sie müssen Arbeitsabläufe ändern, sich aber auch persönlich verändern, weil über den technischen Aspekt hinaus auch kommunikative Faktoren zu berücksichtigen sind.

Petry: Die Digitalisierung muss auch in unseren Bildungszentren umgesetzt werden. Wir müssen in die Überbetriebliche Ausbildung investieren, damit wir die Vorgaben der Ausbildungsordnungen umsetzen können. Ein wichtiges Thema ist die Medienkompetenz, die gebraucht wird, sei es bei den Ausbildern, sei es im Fortbildungsbereich, bei unseren Dozenten. Bei der Umstellung auf Blended-Learning-Möglichkeiten müssen wir unsere Dozenten unterstützen. Wir haben daher eine Medienpädagogin eingestellt, die dabei helfen soll, diese Kompetenzen zu erwerben oder auszubauen.

DHB: Wie ist es denn aktuell um die Medienkompetenz in der Verwaltung und im Berufsbildungszentrum bestellt?

Mischler: Die Stärke der Handwerkskammer der Pfalz ist, dass wir viel Erfahrung haben, aber auch junge Nachwuchskräfte gewinnen konnten, die das Thema aus sich heraus betreiben wollen. Handwerksbetriebe möchten beides, das Menschliche, das Persönliche, aber auch hybride oder virtuelle Formate, und wir wollen beides abbilden. Wir haben unser Weiterbildungsprogramm neu aufgesetzt und eine Online-Akademie gegründet.

DHB: Wie wird die Online-Akademie denn angenommen?

Mischler: Es ist ein zusätzliches Angebot. Es ist wie mit den Videokonferenzen, die es vor zwei Jahren kaum gab, aber heute zur Tagesordnung gehören. So sieht es auch auf Betriebsseite aus. Manche wollen das nicht, andere sehen die Vorteile wie die Einsparung von Zeit und Fahrtkosten. Dieser Anteil wird immer größer.

Petry: Das hängt auch von der Klientel ab. Wenn es um die Meistervorbereitung geht, haben wir einen hohen Praxisanteil, der sich nur schwer in Online-Formaten vermitteln lässt. Wir haben jetzt erstmals den Betriebswirt des Handwerks auf online umgestellt, als Blended-Learning-Modell, mit Präsenzphasen, aber überwiegend im Online-Format. Das jetzt gestartete Angebot ist komplett ausgebucht und wir haben sogar eine Warteliste. Daher denken wir über weitere, ähnliche Formate nach.

Sopp: Intern haben wir vor über zwei Jahren das Projekt PräDiTec begonnen, bei dem es um die Vermeidung von digitalem Stress durch neue Medien bei den Beschäftigten geht. Ein Aspekt waren Trainings zur Vermittlung von Medienkompetenzen, um medial verursachten Stress zu vermeiden. Das ging in die Pandemie hinein – und hat dem ein oder anderen Mitarbeiter wertvolle Hilfestellung gegeben, um mit den neuen Medien kompetenter umgehen zu können.

DHB: Wie ist es denn hier im Kammerbezirk um die Digitalisierung der Mitgliedsbetriebe bestellt?

Mischler: Wir haben ein Zuschussprogramm des Landes, DigiBoost, das sehr gut angenommen wird. Bis Mitte Januar gab es bereits rund 3.200 Bewilligungen mit einem Volumen von etwa 35,5 Millionen Euro. Das heißt, die Betriebe investieren in die Digitalisierung, in Soft- oder Hardware, und bekommen vom Land je nach Betriebsgröße einen ordentlichen Anteil dazu. Dazu zählen auch Anschaffungen, die ohnehin anstehen und einen Innovationsschub geben. Viel wird sich in der Verwaltung tun, in der Kundenkommunikation und in der Vernetzung der Betriebe, auch gewerkeübergreifend.

DHB: Die berühmte Losgröße eins, das Unikat, was nur Handwerker können …

Sopp: … und wofür man sich die Prozesse ansehen muss – und dafür stehen unsere Berater. Die Betriebe sind unterschiedlich empfänglich für dieses Thema, das hängt auch mit der Expertise des Betriebsinhabers, mit dessen Alter zusammen. Bei den betrieblichen Abläufen, die ein Digitalisierungspotenzial haben, lassen sich die produktiven Wertschöpfungsprozesse ausklammern. Das sind eher die administrativen Prozesse, angefangen beim Aufmaß über den Materialeinkauf bis hin zu Kommunikationsprozessen.

DHB: Je besser ein Betrieb aufgestellt ist, desto erfolgreicher wird die mögliche Betriebsübergabe sein. Gibt es genügend Übernehmer und Nachfolger in Ihrem Kammerbezirk?

Mischler: Es hängt sehr von der Branche ab. Es gibt viele Branchen, in denen der Betrieb schließen muss, weil er keinen Nachfolger findet, etwa im Lebensmittelhandwerk bei unseren Bäckereien. Ich kenne Regionen, da hat sich die Zahl von 40 auf nur noch drei reduziert – und hier müssen wir auch gesellschaftliche Aspekte mit ins Spiel bringen. Denn damit verschwindet ein Kulturgut, das muss sich der Verbraucher bewusst machen. Das ist nicht nur unsere Aufgabe, sondern auch eine der Politik, die schauen muss, wie sie diese Entwicklung vermeiden kann.

DHB: Wie gut sind die Betriebsinhaber darauf eingestellt, über eine Betriebsübergabe nachzudenken?

Sopp: Wir schreiben gezielt Betriebsinhaber an, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, um sie für dieses Thema zu sensibilisieren. Ab da sollte der Betrieb eine Struktur bekommen, die nicht komplett auf den Inhaber ausgerichtet ist. Das gebietet die Verantwortung für die Belegschaft, den Betrieb und die Familie.

DHB: Sind die Vermittlungsbörsen eine Hilfe, gerade außerhalb der Familie oder der Belegschaft eine Nachfolge zu finden?

Sopp: Ich glaube, sie werden oft überschätzt, auch wenn es gut ist, dass es sie gibt. Aber die eigene Gestaltung der Nachfolge ist viel besser. Man kennt die Personen und sieht das Potenzial: Da ist jemand, der Führungsqualitäten hat und über den Tellerrand hinausschaut, den man gezielt fördern kann.

DHB: Wahrscheinlich kommt die Kammer erst dann ins Spiel, wenn es um die betriebswirtschaftliche Bewertung des Betriebes geht?

Mischler: Ich denke, dass sich die Betriebe, aber auch wir als Kammer, bewusst so aufstellen sollten, dass man sich die Stärken unterschiedlicher Generationen zunutze macht. Ein 60-jähriger Betriebsinhaber hat extrem viel Erfahrung, kennt seine Kunden und kann sie gut beraten. Wenn er einen Gesellen hat, der 30 ist und im Betrieb gelernt hat, kann der vielleicht die Social-Media-Plattform aufbauen, über die die Kundenakquise laufen kann, oder er bringt Vorschläge aus der Überbetrieblichen Ausbildung bei der Handwerkskammer mit – und sei es beispielsweise nur ein modernes Vermessungsgerät für ein digitales Aufmaß. Das ist bei uns als Team genauso. Wenn man die Stärken nutzbar macht, dann kann man den Betrieb – wie auch wir unsere Kammer – auch gut auf die Zukunft ausrichten. Das Verständnis der Generationen ist ein ganz wichtiges Thema in der sich schnell wandelnden Zeit.

Das Gespräch führte Stefan Buhren.