Steuer - Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen

Bei Abschlagszahlungen aus Werkverträgen (§ 632a BGB) tritt die Gewinnrealisierung bereits mit Entstehung des Anspruchs auf Abschlagszahlung ein. Damit wendet das BMF die Grundsätze eines BFH-Urteils zur Gewinnrealisierung bei Werkleistungen von Architekten auf alle Werkverträge an. 

Der ZDH lehnt eine Übertragung der Grundsätze des Urteils auf Abschlagszahlungen nach § 623a BGB ab. Über die weitere Entwicklung und mögliche Lösungsansätze der Folgeprobleme informierte der ZDH in einem Rundschreiben und auf seiner Homepage: http://www.zdh.de/ 

Das ZDH-Steuerteam hat sich nun in einer Mitteilung vom 01.Juni 2015 ausführlich mit dem Thema beschäftigt und einen Artikel veröffentlicht: 

Eine überraschende Entscheidung mit weitreichender Bedeutung 

Das BFH-Urteil vom 14. Mai 2014 (VIII R 25/11, BStBl. II 2014, S. 968) zur Gewinnrealisierung bei Werkleistungen von Architekten und Ingenieuren hat sicherlich bisher im Handwerk keine herausragende Beachtung gefunden. Dies sollte sich ändern! 

Nach Auffassung des BFH sind Gewinne bei Planungsleistungen eines Architekten oder Ingenieurs bereits dann realisiert, wenn durch auftragsgemäße Erbringung der Planungsleistungen der Anspruch auf eine Abschlagszahlung nach § 8 Abs. 2 der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen i.d.F. vom 21.09.1995 (HOAI 1996) entstanden ist. 

Diese Aussagen stehen damit im Kontrast zu der bisher ganz überwiegend vertretenen Auffassung zur Gewinnrealisierung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Nach bisherigem Verständnis der GoB tritt eine Gewinnrealisierung bei Werkverträgen erst im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs, also regelmäßig im Zeitpunkt der Abnahme des Werks, ein. Nach dem in § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB geregelten Realisationsprinzip sind Gewinne auch erst zu diesem Zeitpunkt erfolgswirksam zu berücksichtigen. 

Nun könnte man den naheliegenden Schluss ziehen, dass Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen eine Besonderheit darstellen - für das Handwerk wäre damit keine Änderung verbunden. In diesem Sinne hat der ZDH zusammen mit den anderen Spitzenverbänden der Deutschen Wirtschaft mit Schreiben vom 31. März 2015 das BMF um eine Klarstellung gebeten, dass die im genannten Urteil aufgestellten Grundsätze insbesondere nicht auf Werkverträge nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch anzuwenden sind. Denn in Fachkreisen hatte bereits zuvor eine Diskussion über diese Fragen begonnen. 

Zur Überraschung vieler vertritt das BMF in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder jedoch in seinem Antwortschreiben vom 22. Mai 2015 (Az.: IV C 6 - S 2130/15/10001) die Ansicht, dass die Grundsätze aus der BFH-Entscheidung auch auf Abschlagszahlungen nach § 632a BGB anzuwenden sind. Die Finanzverwaltung ist also der Auffassung, dass eine Gewinnrealisierung nicht - wie bisher - grundsätzlich erst mit der Abnahme des Werkes eintritt, sondern bereits dann, wenn der Anspruch auf Abschlagszahlung entstanden ist. 

Ohne sich intensiv mit der ganz herrschenden Meinung in der handelsrechtlichen Literatur auseinander zu setzen, wird hierdurch ein zentraler Punkt des deutschen Bilanzrechts einer neuen Auslegung zugeführt. Die Aussagen gelten - da der BFH handelsrechtliche GOB interpretiert - zunächst unmittelbar für das Handelsrecht. Allerdings bestimmt sich der Zeitpunkt der Aktivierung von Forderungen auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG unter Anwendung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes nach den handelsrechtlichen GOB, zu denen auch das Realisationsprinzip gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB gehört. Die vorstehenden Grundsätze gelten somit auch für die steuerliche Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich. 

Zwar hat das BMF zur Vermeidung von Härten entschieden, dass der Steuerpflichtige den aus der erstmaligen Anwendung der Grundsätze der BFH-Entscheidung resultierenden Gewinn gleichmäßig entweder auf das Wirtschaftsjahr der erstmaligen Anwendung und das folgende Wirtschaftsjahr oder auf das Wirtschaftsjahr der erstmaligen Anwendung und die beiden folgenden Wirtschaftsjahre verteilen kann. Dies ist jedoch keine befriedigende Lösung, denn gleichzeitig wurde eine ganze Reihe von praktischen Folgefragen unbeantwortet gelassen. Diese können hier nur angedeutet werden: 

Geht beispielsweise das Werk noch vor Gefahrenübergang (§ 644 Abs. 1 Satz 1 BGB) unter, ist der Auftragnehmer zivilrechtlich zur Wiederherstellung des Werks auf eigene Kosten oder zur Rückzahlung der Abschläge verpflichtet. Nach den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung wäre er jedoch gleichzeitig zur Versteuerung der "realisierten" Abschlagsansprüche verpflichtet. Weiterhin haben Abschlagzahlungen nach BGB lediglich einen vorläufigen Charakter. Bleibt der endgültige Vergütungsanspruch hinter den Abschlagszahlungen zurück, ist die Differenz an den Auftraggeber zurück zu gewähren. Welche bilanziellen Folgerungen aus diesen beispielhaften Fragen zu ziehen sind, ist bisher nicht abschließend geklärt. 

Das BMF-Schreiben wird dem Vernehmen nach nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Dennoch sind die Grundsätze durch die Praxis zu berücksichtigen und werden in künftigen Betriebsprüfungen - da muss man kein Prophet sein - sicherlich häufiger Gegenstand von Diskussionen sein. 

Der ZDH teilt die Auffassung des BMF nicht und wird sich für eine Beibehaltung der bewährten Auslegung der GOB einsetzen. Selbstverständlich werden wir auch über die weitere Entwicklung berichten. 

ZDH-Steuerteam 

Quelle: www.zdh.de - Themen - Steuern und Finanzen - Einkommenssteuer: Eine überraschende Entscheidung mit weitreichender Bedeutung vom 01.06.2015