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17.06.2022 - erschienen in: Deutsches Handwerksblatt Nr. 10, Regionalausgabe PfalzWie geht's dem Handwerk?

Viele Handwerksbetriebe sehen sich durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine zunehmend vor große Herausforderungen gestellt. Ein aktuelles Stimmungsbild erhielt die Hausspitze der Handwerkskammer der Pfalz im Austausch mit ihren Vollversammlungsmitgliedern.

Die seit über zwei Jahren andauernde Corona-Pandemie sowie die Kriegssituation in der Ukraine führen in vielen Fällen zu einer besonderen Belastung der Handwerksbetriebe. Während der Corona-Pandemie hat sich das pfälzische Handwerk als relativ stabil erwiesen. Einzelne vom Lockdown betroffene Branchen wie die Gesundheitshandwerke – zum Beispiel Friseure und Kosmetiker – hatten starke Umsatzeinbußen zu verzeichnen, andere Branchen konnten die Folgen der Pandemie gut kompensieren. Der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehenden Lieferengpässe und die Preissteigerungen von Energie und Vorprodukten sowie die Probleme bei der Materialbeschaffung verstärken allerdings die Problematik.

Um zu hören, wie es den pfälzischen Handwerksbetrieben in dieser Situation geht und wo der Schuh besonders drückt, haben sich Präsident Dirk Fischer und Hauptgeschäftsführer Dr. Till Mischler mit Mitgliedern der Vollversammlung der Handwerkskammer der Pfalz virtuell ausgetauscht. Betriebsinhaber und Beschäftigte schilderten, was ihnen in ihrem jeweiligen Gewerk besondere Sorgen bereitet.

Lieferverzögerungen beim Material
Grundsätzlich ist die Lage im Handwerk vielerorts recht angespannt, die Betriebe sind durch den Krieg verunsichert. So rechnet das Bauhauptgewerbe mit einem Rückgang des Baubooms, da beim Neubau extreme Preissteigerungen um bis zu 1.000 Euro pro Quadratmeter zu Buche schlagen. Teilweise sind Dämmstoffe und Dachziegeln nicht lieferbar, was auch ein großes Problem bei energetischen Sanierungen darstellt. Ebenso fehlt anderes Material wie etwa Stahlschrauben, was die Zimmerer vor besondere Herausforderungen stellt. Beim Bezug von Baustahl sind Preissteigerungen von über 60 Prozent zu verzeichnen. Diese unvorhersehbaren Lieferverzögerungen beim Material machen Änderungen in der Bauzeitplanung erforderlich, da die Vorgewerke ihre Arbeiten nicht planmäßig fertigstellen können. Diese Störung der Abläufe ist wiederum oft mit Mehrkosten verbunden. Dazu kommt, dass private Finanzierungen aufgrund der hohen Inflationsrate, steigenden Zinsen und den Unwägbarkeiten bei der staatlichen Förderung vielfach nicht mehr gesichert sind.

Elektrohandwerk
Im Elektrogewerbe ist die Auftragslage noch einigermaßen gut, da vielerorts bestehende Aufträge abgearbeitet werden, die wegen Corona-Erkrankungen in der Belegschaft noch ausstehen. Viele Kunden zeigen Verständnis für die Verzögerungen. Aufgrund ständiger Materialpreissteigerungen ist es problematisch, neue Aufträge zu kalkulieren. Durch Sparmaßnahmen der privaten Haushalte ist künftig mit nachlassender Nachfrage zu rechnen. Das Material ist derzeit noch weitgehend verfügbar, allerdings fehlten auch diverse Zulieferartikel wie Schrauben oder Kabelbäume, die teilweise in der Ukraine gefertigt werden. Ebenso besteht ein Mangel an Haushaltsgeräten. Hier beträgt die Lieferzeit derzeit bis zu 12 Monate. Durch die Lieferengpässe können die Baustellen teilweise nicht abgeschlossen und somit auch nicht abgerechnet werden.

Metallhandwerk
Die Metallbranche verzeichnet beim Bezug von Stahl Preissteigerungen von bis zu 300 Prozent. Der Materialmangel macht sich hier gravierend bemerkbar. Problematisch sind die Auftragsvorlaufzeiten auch bei den Heizungsbauern, da zurzeit viele Kunden Gasheizungen gegen Wärmepumpen austauschen, ihren Ofen erneuern oder den Gas- und Ölverbrauch reduzieren möchten. Das gleiche gilt für den Einbau von Photovoltaikanlagen, für den Kunden derzeit bis 2023 warten müssen. Dieses Problem verzögert das Vorankommen der Energiewende, die wichtig ist, um sich unabhängig von fossilen Energieträgern zu machen.

Holzhandwerk
Die holzverarbeitenden Berufe wie Tischler und Zimmerer beklagen, dass FSC-zertifiziertes Holz aus der Ukraine und Russland nicht mehr erhältlich ist. Die Auftragslage ist noch gut, die Planung weiterer Aufträge aufgrund der Unsicherheiten am Markt und der enormen Preissteigerungen beim Material aber äußerst schwierig. Bestimmte Hölzer wie Sibirische Lärche sind mittlerweile gar nicht mehr lieferbar. Die Preise stagnieren derzeit auf relativ hohem Niveau, die hohen Spritkosten und die Inflationsrate machten sich bemerkbar.

Auch die in der Land- und Baumaschinentechnik tätigen Betriebe kämpfen mit zunehmenden Lieferengpässen, wie beispielsweise für Akkus und Geräte mit Chiptechnik; außerdem bereiten die hohen Stahlpreise Sorgen. Neue Schlepper können teilweise erst im nächsten Jahr ausgeliefert werden, was die Verkaufsaktivitäten deutlich einschränkt.

Friseure und Schornsteinfeger spüren weniger Auswirkungen im Tagesgeschäft. Zwar haben sich bei den Schornsteinfegern Mess- und Elektrogeräte verteuert, doch der Materialbezug fällt in diesem Gewerk nicht ins Gewicht. Bei den Friseuren herrscht ein unterschiedliches Stimmungsbild: Während einige Friseure nahezu wie vor der Pandemie ausgelastet sind, haben andere Betriebe immer noch mit den Folgen des Corona-Lockdowns, fernbleibenden Kunden oder mit hohen coronabedingten Personalausfällen zu kämpfen. Einige Salons mussten bereits schließen. In diesem Bereich wird vermehrt über Einsparmaßnahmen bei den Produktlinien nachgedacht, um Preissteigerungen für die Kunden zu vermeiden oder abzufedern.

Angespannte Personalsituation
Die befragten Arbeitnehmer im Handwerk beklagten, dass in vielen Bereichen die Löhne nicht analog zu den Preisen stiegen und die hohen Treibstoff- und Lebensmittelkosten deutlich spürbar seien. Neben der Lieferkettenproblematik verschlimmerten in den letzten Wochen viele coronabedingte Krankheitsfälle die in den meisten Branchen ohnehin angespannte Personalsituation und verlängerten somit die Wartezeiten auf die Auftragsausführung. Es ist damit zu rechnen, dass mittelfristig noch mehr Materialien und Werkstoffe gar nicht mehr am Markt verfügbar sein werden, was zu massiven Problemen in den Fertigungsbetrieben führen kann.

Auswirkungen des Ukraine-Kriegs
Je länger der Krieg in der Ukraine andauern wird, desto stärker werden Lieferkettenunterbrechungen sowie Material- und Energieengpässe den gesamten europäischen Binnenmarkt und somit auch das Handwerk in Deutschland treffen. So werden auch die Sprit- und Energiepreise wohl auf lange Sicht auf hohem Niveau bleiben. Um diese Verteuerungen zu kompensieren, werden die Betriebe Überlegungen zu Kosteneinsparungen anstellen müssen und zusätzlich auf finanzielle und politische Hilfen angewiesen sein. Zudem ist zu erwarten, dass die Ukraine, Belarus und Russland für lange Zeit als Materiallieferanten ausfallen werden. Diese Situation wird die Lieferengpässe zusätzlich verschärfen.

Auch die Treibstoffpreise werden nahezu alle Handwerke treffen. Die steigenden Energiekosten belasten insbesondere das produzierende Gewerbe wie Metallbau oder Tischler. Aber auch andere energieintensive Gewerke wie der Bau- und Ausbaubereich, Maschinen- und Anlagenbauer oder das Elektrohandwerk spüren die ansteigende Preisspirale. Im Nahrungsmittelhandwerk etwa schnellen derzeit die Preise für Agrarprodukte aus der Ukraine in die Höhe. Da ein Export kaum möglich ist, werden diese Lebensmittel auf absehbare Zeit teurer werden.

20220303_Energiepreise
Statistisches Bundesamt

Aktuelle Preisentwicklung
Im Handwerk wird die aktuelle Preisentwicklung in der zukünftigen Preiskalkulation berücksichtigt werden müssen, was allerdings erst mit zeitlicher Verzögerung geschieht, da es im Bau- und Ausbauhandwerk Auftragsreichweiten von mehr als drei Monaten gibt. Das bedeutet, die sprunghafte Einstandspreisentwicklung im Energie- und Materialbereich belastet derzeit in erster Linie die Betriebe, nicht jedoch bestehende Kundenaufträge, da hier kurzfristige Preisanpassungen kaum durchsetzbar sind.

Die Einschränkungen für die Betriebe werden voraussichtlich für viele Gewerke massiv und in ihrer Komplexität noch gar nicht absehbar sein.

Wichtig sei festzustellen, so die befragten Handwerker, dass die Betriebe die Preise nicht eigeninitiativ erhöhten, sondern die Preissteigerungen lediglich weitergeben – und diesauch nur zum Teil. Eine Verlängerung der bestehenden Kurzarbeitsregelung sei wünschenswert, da sie sich als probates politisches Instrument erwiesen habe, um bei betrieblichen Engpässen Personalabbau zu vermeiden. Durch die hohe Inflationsrate und die damit einhergehende sinkende Kaufkraft müsse zudem darauf geachtet werden, eine Abwanderung von Fachkräften zur Industrie zu vermeiden. Fehlendes Material und fehlendes Fachpersonal seien demnach die größten Hürden, die die Betriebe derzeit zu überwinden haben.

Ansprechpartner für betroffene Unternehmen bei der Handwerkskammer der Pfalz ist Max Becker, Tel.: 0631/3677-108; E-Mail: mbecker@hwk-pfalz.de.