Dirk Fischer
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Interview"Wir tun alles, um unsere Betriebe zu unterstützen."

Der Präsident der Handwerkskammer der Pfalz, Dirk Fischer, spricht über die wirtschaftlichen Veränderungen durch die Corona-Pandemie und was diese für das Handwerk bedeuten.

Das Coronavirus hat das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben dramatisch verändert. Konnte das Handwerk in der Pfalz zu Beginn des Jahres 2020 noch auf eine gute konjunkturelle Lage und volle Auftragsbücher zurückblicken, hat die Pandemie auch in pfälzischen Handwerksbetrieben zu einschneidenden Maßnahmen geführt. Über die gegenwärtige
Situation des Handwerks in der Pfalz sprach Joachim Schwitalla mit Dirk Fischer, dem Präsidenten der Handwerkskammer der Pfalz.

Schwitalla: Herr Fischer, Sie sind gelernter Schreinermeister und betreiben in Neustadt eine Möbelschreinerei. Wie hat sich Ihr Geschäftsbetrieb seit Ausbruch des Coronavirus verändert?

Fischer: Unser Auftragsvorlauf hat sich verringert. Einige unserer Kunden haben die Bestellungen erst einmal zurückgestellt. Natürlich berücksichtigen wir auch die Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen, was zu Einschränkungen und Hemmnissen im Betriebsablauf führt.

Schwitalla: Wie gehen Sie mit den Veränderungen um? Welche Maßnahmen haben Sie getroffen?

Fischer: Wir haben vorsorglich Kurzarbeit beantragt und prüfen momentan, ob die Corona Soforthilfen für uns in Frage kommen und ob wir diese in Anspruch nehmen wollen. Sollte die Kontaktsperre länger anhalten und die Aufträge ausbleiben, könnten wir für eine begrenzte Zeit auch den gesamten Geschäftsbetrieb etwas herunterfahren.

Schwitalla: Die Bandbreite des pfälzischen Handwerks ist groß. Welche Betriebe bekommen die gegenwärtige wirtschaftliche Situation am meisten zu spüren?

Fischer: Soloselbstständige, Teilzeitselbstständige (vor allem Frauen), personenbezogene Dienstleistungen wie Friseure, Kosmetiker, Gebäudereiniger, Zulieferer der Automobilbranche, KFZ-Betriebe und Neugründer haben zurzeit richtig zukämpfen. In erster Linie sind Betriebe mit direktem Kundenkontakt betroffen. Insbesondere zählen dazu momentan Friseure, Kosmetiker, Fotografen und Berufe, deren Dienstleistungen nur mit direkter Berührung, mit Hautkontakt der Kunden zu erbringen sind. In den Bereichen sind Umsatzverluste von 100 Prozent zu erwarten. Andere Betriebe werden wegen der rückläufigen Nachfrage hohe Verluste ausweisen, die sich existenzbedrohend auswirken können. Das gilt branchenübergreifend. Der Fokus der Verbraucher liegt derzeit auf Kontaktvermeidung und einem Abwarten der weiteren Entwicklung. Grundsätzlich wirkt sich die Krise auf das gesamte Handwerk aus. Denken Sie an den Ausfall für Gebäudereiniger durch Schulschließungen und Home-Office. Solche Beispiele gibt es branchenübergreifend.

Schwitalla: Welche Handwerksbetriebe können ihre Geschäfte auch in diesen Tagen weiterführen?

Fischer: Bau- und Ausbaubetriebe wie Gerüstbauer, Dachdecker, Zimmerer, Sanitär-Heizung-Klima (SHK) und Elektrohandwerk, Gebäudereiniger im Rohbau, Bäcker und Metzger sind zurzeit noch beschäftigt. Auch sie befürchten, dass ihre Umsätze einbrechen, wenn die Corona Pandemie länger andauern sollte. Auch im Lebensmittelhandwerk sieht man auf den zweiten Blick Probleme. Ich denke beispielsweise an den Ausfall von Catering-Leistungen.

Schwitalla: Gibt es Handwerksbetriebe, die die Krise besonders hart trifft?

Fischer: Neugründer, die jetzt in ihrer Startphase bereits Einnahmeverluste verkraften müssen. Diese bekommen leider keine Soforthilfe, ebenso Selbstständige im Nebenberuf. Diese sind gezwungen, Arbeitslosengeld II zu beantragen.

Schwitalla: Sind Ihnen Handwerksbetriebe bekannt, die ihre Dienstleistungen komplett einstellen mussten?

Fischer: Ja: Friseure, Kosmetiker, Änderungsschneider, KFZ-Verkauf. Aber auch viele Feinwerkmechaniker, die als handwerkliche Zulieferer für die Industrie arbeiten und ihre Produktion gedrosselt haben.

Schwitalla: Inwieweit sind Handwerksbetriebe von Kurzarbeit betroffen?

Fischer: Fast alle Branchen sind davon betroffen. Kaum Auswirkungen stellen wir bislang im SHK Handwerk und in der Elektrobranche fest.

Schwitalla: In weiten Teilen der Wirtschaft müssen Produktion und Dienstleistungen wegen Unterbrechung der Lieferkette heruntergefahren werden. Welche Handwerksbetriebe sind davon betroffen?

Fischer: Vor allem die KFZ-Branche und zum Teil die Ausbaubranche, da benötigte Materialien nicht über die Grenze kommen. Ebenso klagen Tischler, SHK-Betriebe, Maler und Stuckateure über Lieferengpässe.

Schwitalla: Das Handwerk sucht dringend Fachkräfte. Wie wird sich die gegenwärtige Lage auf die Beschäftigungssituation auswirken?

Fischer: Die geschlossenen Betriebe haben Kurzarbeit beantragt. Sollte sich der Shutdown länger hinziehen und von der Politik keine Mittel zur Verfügung gestellt werden, ist zu befürchten, dass infolge zunehmender Liquiditätsschwierigkeiten vermehrt Betriebsaufgaben und somit ein Anstieg der Arbeitslosigkeit eintreten. In den vergangenen Jahren war das Handwerk von Nachwuchssorgen geprägt. Wir müssen aufpassen, dass gut qualifiziertes Personal gehalten werden kann und sich die Fachkräftenot nach Corona nicht weiter verschärft. Denn unsere Mitarbeiter sind unser höchstes Gut. Die meisten Teilzeitselbstständigen müssen bereits Arbeitslosengeld II beantragen, da sie durch den Wegfall der Erträge nicht mehr ihre privaten Lebenshaltungskosten zahlen können. Dazu gehören alleinerziehende Mütter, die zurzeit nicht als Kosmetikerin oder Friseurin arbeiten können.

Schwitalla: Wie sieht es mit der Liquidität vieler Handwerksbetriebe aus? Werden die Überbrückungs- und Liquiditätshilfen von Bund und Land ausreichen, die finanziellen Engpässe zu lindern?

Fischer: Die mittelständischen Handwerksbetriebe haben in der Regel eine höhere Eigenkapitalquote als der Durchschnitt (siehe Handel), kommen aber langsam an ihr Limit. Ob die Liquidität ausreichen wird, hängt vom weiteren Verlauf und der Zeitspanne der Krise ab. Soloselbstständige, Gründer oder Teilzeitselbstständige haben in der Regel keine finanziellen Reserven und zum großen Teil keine Chance, Soforthilfe beantragen zu können. Aus diesem Grund sehen sich jetzt schon viele Friseure und Kosmetiker gezwungen, Arbeitslosengeld II zu beantragen. Wichtig ist, dass nach dem Aufheben der Kontaktsperre rasch über Konjunkturpakete diskutiert wird. An ihnen muss auch das Handwerk Anteil haben.

Schwitalla: Welche Hilfestellungen und Unterstützung können Betriebe von der Handwerkskammer erwarten?

Fischer: Kostenfreie Beratung zu allen Themen, die aktuell relevant sind. Seit der Corona-Krise insbesondere zu Liquiditätshilfen, Krisenmanagement, Arbeitsschutz, Kurzarbeitergeld und Rechtsfragen. Wir sind für die Betriebe da, hören uns Probleme an und versuchen, passgenaue Lösungen zu entwickeln. Einige Unternehmer müssen auch ihren Kummer  loswerden. Wir haben ein offenes Ohr und sind Sprachrohr für die Betriebe bei der Politik.

Schwitalla: Welchen Rat geben Sie angesichts der wirtschaftlichen Situation als Handwerkspräsident Ihren Mitgliedern?

Fischer: Wir tun alles Mögliche, um unsere Betriebe zu unterstützen. Wir hören ihre Anliegen an, beziehen gegenüber der Politik Position für unsere Mitgliedsbetriebe und machen uns für das Handwerk stark. Als Handwerkspräsident appelliere ich an alle, vorausschauend zu agieren und die von der Politik bereitgestellten Werkzeuge voll auszuschöpfen. Gemeinsam mit unseren Familien und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden wir diese Herausforderung meistern.

Das Interview führte JOACHIM SCHWITALLA.