Brotpuristen
Joachim Schwitalla

Pionierpreis für "Die Brotpuristen "

Sebastian Däuwel entdeckt seine Leidenschaft für Brot, startet als Hobbybäcker und hat als Quereinsteiger mit unkonventionellen Methoden Erfolg.

Bei der Vergabe des rheinland-pfälzischen Gründerpreises „Pioniergeist“ Ende November 2019 in Mainz sahnten „Die Brotpuristen“ aus Speyer den mit 15.000 Euro dotierten ersten Preis ab. Wer sind die Brotpuristen und wofür wurden sie ausgezeichnet?

In einer Branche, in der zunehmend große Ketten mit einem überbordenden Angebot aufwarten, besinne sich das Unternehmen auf das Wesentliche: „hochwertiges Brot“, hieß es in der Begründung von Wirtschaftsstaatssekretärin Daniela Schmitt und Ulrich Link, Vorstandsmitglied der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB).

Seine Leidenschaft für Brot, wie er es aus Kindheitstagen her kennt, gepaart mit Ideenreichtum, Kreativität und Mut, sein Projekt in die Tat umzusetzen, gaben Sebastian Däuwel Recht. Seit April 2016 steht er täglich von Dienstag bis Freitag mit seinem jungen Team in der Backstube seines neuen Ladenlokals, backt und verkauft Brot. Am Wochenende und am Montag sind Backstube und Laden geschlossen. Gebacken wird morgens ab sieben, verkauft von 15.30 bis 18.30 Uhr. Nachtarbeit ist für den Brotpuristen ein Fremdwort.

Über den Ladentisch gehen ausschließlich Brote und Baguettes. Roggenbrot und Vollkornbrot, Ölsaaten, Dinkel- und Weizenbrot.  Brot mit Wal- und Haselnuss, Sonnenblumenkernen und Kürbiskernen. Freitags zusätzlich Burgerbrötchen und Brioches. „Extrem puristisch muss es sein: Mehl, Wasser und Salz“, so Däuwel. Dabei legt er Wert auf „reines Mehl, vermahlenes Korn“ und auf den Natursauerteig, den er 2012 in seiner Wohnung angesetzt und mit dem er sein erstes Brot gebacken hatte. Den Sauerteig verwendet er noch heute. „Keine zugesetzten Enzyme, keine Backmischungen, rein puristisch“, versteht sich.

In einer Zeit, in der die Zahl der Bäckereien in Deutschland zwischen 2011 und 2018 um 23 Prozent von 14.170 auf 10.926 Betriebe abgenommen und die Zahl der Auszubildenden im Bäckerhandwerk sich um 46 Prozent von 29.808 auf 16.018 verringert hat, hat der Betriebswirt, der einst eine leitende Funktion bei einem Energieversorger innehatte, eine 180-Grad-Wende vollzogen. Mit seiner Idee, „geiles Brot zu backen“, hat er den Geschmack vieler Kunden in der Südpfalz getroffen.

Als Hobbybäcker einst belächelt, schafft er es mit Unterstützung der Betriebsberatungsstelle der Handwerkskammer der Pfalz, sich 2016 mit den Brotpuristen in der Bahnhofstraße in Speyer niederzulassen. Er startete zwar ohne Bäckerlehre, erhielt jedoch eine beschränkte Ausnahmebewilligung für sein Handwerk durch das erfolgreiche Bestehen einer Sachkundeprüfung sowie die absolvierten Backkurse und Praktika - unter anderem in einer Boulangerie in Lyon, wo er die Kunst des Baguettemachens lernte.

Der Erfolg gibt ihm Recht. Seine Brote mit krosser Kruste und gerösteten Nüssen gehen weg wie warme Semmeln. Seine Kunden sind begeistert. Zu haben sind die puristischen Leckerbissen zu Preisen zwischen 3 Euro fürs Baguette, 4,50 Euro fürs Roggen- und 6,50 Euro fürs Walnuss-, Haselnussbrot. Dafür stehen die Kunden gerne auch mal Schlange. Wer online bestellt, kann sichergehen, sein Brot auch noch kurz vor Ladenschluss mit nach Hause zu nehmen.

Nicht nur als Betriebswirt, der mit Zahlen umgehen kann und der seinen täglichen Backplan per Balkendiagramm im Auge behält, als Marketingstratege weiß Sebastian Däuwel, dass er auf zeitgemäße Medien setzen muss. 12.000 Likes auf Facebook bestätigen dem Autodidakten bundesweite Aufmerksamkeit. Seine 15 Mitarbeiter, unter ihnen drei Bäcker, aber auch Meike, die 13 Jahre als Friseurin tätig war, der Italiener Giacomo, der aus Berlin nach Speyer wechselte und Lucia, die Bäckergesellin auf der Walz, wurden über Facebook auf ihren neuen Job aufmerksam. „Gelernte Bäcker müssen es nicht zwingend sein.“ Wert legt Sebastian Däuwel auf „Wissbegier, Leidenschaft und Lernwille“.

„Das Bäckerhandwerk hat leider keinen guten Ruf mehr“, bedauert er. Der Arbeit des Bäckers fehle die Wertschätzung. Auch benötige die Ausbildung zum Bäcker frischen Wind. Vieles am Berufsbild sei veraltet und müsse der Zeit angepasst werden, findet der Jungunternehmer. Berufsbegleitend nachgeholt hat der Brotpurist zwischenzeitlich seine Meisterprüfung im Bäckerhandwerk. Über elf Monate besuchte er zweimal wöchentlich die Meisterkurse an der Badischen Bäckerfachschule in Karlsruhe. Nicht nur mit Brot, mit Hefegebäck und Teilchen aus Blätterteig, Biskuitboden und Käsesahnetorte hat er die Jury von seiner Backkunst überzeugt.

Der Besuch der Bäckerfachschule hat dem 36-Jährigen neben seiner Meisterprüfung auch privates Glück beschert. Dort hat er seine Freundin Tamara kennengelernt. Ihre Ausbildung als Gymnasiallehrerin hat die junge Frau zugunsten einer Bäckerlehre an den Nagel gehängt. Seit dieser Zeit steht sie ihm nicht nur treu zur Seite, sondern ist ihm als Fachfrau eine rechte Hand im Betrieb.

Bewundernswert wie Sebastian Däuwel mit einer Krebserkrankung umgeht, die ihm seit Sommer 2019 zu schaffen macht. „Es geht mir seit Wochen wieder richtig gut“, blickt er optimistisch und voller Tatendrang nach vorne. Nicht, ohne seiner Freundin ein großes Kompliment für ihre Unterstützung im Betrieb zu machen. Und Pläne hat der Bäckermeister. Zur Weitergabe seiner Backphilosophie kann er sich eine „Brotpuristen Academy“ vorstellen. 

„Die-Geiz-ist-geil-Mentalität ist vorbei. Gute Brote haben Renaissance“, blickt Sebastian Däuwel nach vorne und verweist auf Umsatzzuwächse. Zwischen 700 und 800 Brote gehen an den Verkaufstagen über die Ladentheke. Ein Teil davon verkauft er in seinem Brottruck dienstags in Landau und donnerstags in Neustadt. Dass es dem jungen Team bei der Arbeit in der Backstube Spaß macht und jeder mal eine andere Aufgabe übernimmt, zeigt ein Rundgang in dem 350 Quadratmeter großen Betrieb zwischen Lager für Mehl und Nüsse, Knetmaschinen, Arbeitstischen und Backöfen. Der Teig für jeden Laib Brot wird von Hand portioniert und abgewogen. Bevor es in den Ofen geht, darf der Teig in Gärkörbchen zur Ruhe kommen. 

Wer den Laden der Brotpuristen im Norden der Domstadt Speyer betritt, erhält nicht nur einen Blick auf mit krustigen Broten gefüllte Verkaufsregale. Ein Blick in die offene Backstube gehört dazu und ist erwünscht.

Weitere Infos zu Existenzgründung und Betriebsberatung im Handwerk unter hwk-pfalz.de.