Urteil: Werbung mit 100-jähriger Firmentradition

Traditionswerbung kann unzulässig sein, wenn sich das Unternehmen seit Bestehen wesentlich verändert hat. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Unternehmen trotz zwischenzeitlichem Insolvenzverfahren mit langjähriger Firmentradition geworben hatte. 

Mit Beschluss vom 7.9.2015 (Az. 6 U 69/15) entschied das OLG, dass die Werbung mit einer 100-jährigen Firmentradition ungeachtet eines zwischenzeitlichen Insolvenzverfahrens nicht irreführend ist, wenn das Unternehmen wirtschaftlich im Wesentlichen unverändert fortgeführt worden ist. Unschädlich ist für eine solche Werbung weiterhin, wenn das Unternehmen im Laufe seiner Geschichte um einzelne Bereiche erweitert worden ist, die sich noch dem Kernbereich des ursprünglichen Unternehmensgegenstandes zurechnen lassen.

Hintergrund:

Ein Unternehmen warb in seiner Internetpräsentation u.a. mit der Aussage: "Mit unserer über 100 jährigen Firmentradition und der konsequenten Weiterentwicklung unseres Know-how verfügen wir über weitreichende Erfahrung und hohe Sachkompetenz, die wir gerne für Sie einsetzen". 

Die Werbung wurde für irreführend gehalten und das Unternehmen auf Unterlassung verklagt.

Denn die hinter dem Unternehmen stehende Gesellschaft, eine GmbH, sei insolvent geworden. Das Insolvenzverfahren der GmbH ist noch nicht abgeschlossen. Das aktuelle Unternehmen habe lediglich Vermögenswerte der GmbH übernommen und könne sich daher nicht auf eine ununterbrochene Tradition berufen.

Die Werbung sei auch deshalb irreführend, weil sich das aktuelle Unternehmen einer langjährigen Tradition auf dem Gebiete des Rollladenbaues berühme, während dieser Geschäftsbereich tatsächlich erst in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts aufgebaut worden sei. 

Die Entscheidung:

Die Klage wurde abgewiesen. Das Gericht führt unter anderem aus: 

Die Aussage "Mit unserer über 100 jährigen Firmentradition und der konsequenten Weiterentwicklung unseres Know-how..." wird vom angesprochenen Verkehr als Hinweis auf eine entsprechende geschäftliche Kontinuität verstanden. Maßgeblich ist die Kontinuität des Unternehmens selbst als sachliche Organisationseinheit, so dass es darauf ankommt, ob das gegenwärtige Unternehmen trotz aller im Lauf der Zeit eingetretenen Änderungen noch mit dem früheren Unternehmen als wesensgleich angesehen werden kann. 

Es lag eine Geschäftskontinuität zu dem bereits 1897 übernommenen Glaserbetrieb, der später weiter ausgebaut und um den Geschäftsbereich des Rollladenbaues erweitert wurde. 

Streitentscheidend war hier keine abstrakte Rechtsfrage. Es kam darauf an, wie der Verkehr die Werbeaussage des aktuellen Unternehmens versteht und welche Erwartungen er damit verbindet. Das ist eine Tatsachenfrage, die das Gericht im vorliegenden Fall selbst entscheiden kann, weil seine Mitglieder selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören. 

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschl. v.07.09.2015, Az.: 6 U 69/15